Seit ungefähr zehn Jahren erreichen jährlich bis zu 100 Kormorane während der kalten Jahreszeit auch die großen Flüsse Südtirols und den Kalterersee. "Die Ausbreitung auf weitere Gewässer ist absehbar", sagt Andreas Agreiter vom Landesamt für Jagd und Fischerei, das die Entwicklung im Auge hat und letzthin regelmäßig am Stausee Franzensfeste, Mühlbach, am Kniepass in St. Lorenzen und sogar am Olanger Stausee Kormorane beobachtete.
Das Landesamt für Jagd und Fischerei beobachtet die Entwicklung der Kormoran-Präsenz in Südtirol
In den 60er Jahren war der Kormoran in Mitteleuropa kaum anzutreffen; in den 80er und 90er Jahren vermehrte er sich sprunghaft, wie kaum eine andere Vogelart. "Während Schutzziele vor einigen Jahrzehnten noch ganz auf den Kormoran zugeschnitten waren, geht der Fokus nun auf den Schutz der durch Kormorane gefährdeten Fischfauna über", erklärt Andreas Agreiter vom Landesamt für Jagd und Fischerei.
In Südtirol und in der näheren Umgebung gibt es zwar keine Brutkolonien, der Herbstzug der Kormorane führt sie aber von den großen Brutvorkommen an der Nord- und Ostsee in verschiedene Überwinterungsgebiete im Süden. Seit zehn Jahren erreichen jährlich rund 50 bis 100 Kormorane auch die großen Flüsse Südtirols (Etsch von Meran bis Salurn und Eisack von Blumau bis Mündung) und den Kalterersee. "Die Ausbreitung auf weitere Gewässer ist absehbar, letzthin werden Kormorane regelmäßig am Stausee Franzensfeste, Mühlbach, am Kniepass in St. Lorenzen und sogar am Olanger Stausee beobachtet", so Agreiter.
In Südtirols Hauptgewässern, welche durch die harten Verbauungsmethoden der Vergangenheit und den Schwallbetrieb großer E-Werke Fischen nicht optimale Lebensbedingungen bieten, finden Kormoranen hingegen angesichts des strukturarmen Gewässerverlaufs ideale Fangbedingungen. Der Kormoran gilt als "Spitzenprädator", der durch sein Vorkommen in Kolonien und seine effiziente Tauchjagd Fischgewässer in relativ kurzer Zeit überfischen kann. Der Großvogel ernährt sich ausschließlich von Fisch. Sein Nahrungsbedarf beläuft sich auf bis zu 500 Gramm Fisch pro Tag. Grob geschätzt, fangen 100 Kormorane täglich ungefähr 40 bis 50 Kilogramm Fisch.
"Kleinere und mittlere Flüsse der Forellen- und Äschenregion sind zwar nicht bevorzugte Habitate, bei hohen Kormoranpopulationen sind aber gerade diese Gewässer großen Verlusten ausgesetzt", heißt es aus dem Landesamt für Jagd und Fischerei. Somit stelle eine zu große Anzahl an Kormoranen nicht nur ein fischereiliches Problem dar, sondern auch ein ökologisches, da wichtige Naturschutz- und Artenschutzkriterien der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der EU-Wasserrahmenrichtlinie beeinträchtigt würden. In Südtirol ist vor allem eine in der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie angeführte heimische Fischart gefährdet, nämlich die marmorierte Forelle. Auch die Äsche - als typischer Schwarmfisch im offenen Gewässer - wird vom Kormoran bevorzugt erbeutet.
Was die Kormoran-Zählungen angeht, so führt das Landesamt für Jagd und Fischerei seit Jahren so genannte Schlafbaumzählungen durch. In diesem Winter wurde das Monitoring intensiviert und mit Unterstützung freiwilliger Fischereiaufseher erstmals eine wöchentliche Zählung von Kormoranen an den großen Gewässern der Haupttäler durchgeführt (Etsch von Meran bis Salurn inklusive Falschauer in der Etschtalsohle, Kalterersee, Stausee Mühlbach und Franzensfeste, Eisack von Franzensfeste bis Klausen und von Blumau bis zur Mündung) durchgeführt.
Bei zeitgleichen Schlafbaumzählungen und Zählungen in den einzelnen Gewässerabschnitten durch Fischereiaufseher bei Tag wurden zwischen 17 und 93 Kormorane beobachtet. Die Anzahl hat sich im Verlauf des Winters verändert: Im November stieg die Zahl, erreichte einen Höchststand im Dezember. Nach einer vorübergehend geringeren Präsenz im Jänner wurden die Kormorane im Februar wieder zahlreicher. Anfang März verlassen die Kormorane das Land wieder.
"Die Zählungen an den Schlafbäumen widerspiegeln im Großen und Ganzen das Bild der Tageszählungen, einige Gruppen von Kormoranen sind vermutlich Tagesausflügler, die vom Trentino der Etsch entlang nach Südtirol herauffliegen", so Agreiter. Er verweist darauf, dass im Trentino in diesem Winter bis zu 400 Kormorane gezählt wurden. Wie andere Provinzen Norditaliens habe das Trentino daher einzelne Abschüsse zur Vergrämung ermächtigt.
(LPA)
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